Paris und der schleichende europäische Selbstmord

Nach den Anschlägen von Paris gibt es in mir einen verbissen geführten In-Fight zwischen dem tiefen Mitgefühl für die Familien der Opfer und dem zynischen „Was haben wir denn erwartet?“ Gedanken, der immer wieder deutlich zu erkennen gibt, dass er noch da ist. Und im Hintergrund dieses inneren Kampfes senkt sich ein dumpfes Gefühl in die Magengegend, das sich irgendwo zwischen Ernsthaftigkeit, entschlossener Bereitschaft und Ausweglosigkeit bewegt und sich nicht festlegen will. Schwere Tage erwarten die Menschen in Frankreich und Europa. Lange Zeit dachte man, der Terror spiele sich immer woanders ab, ganz weit weg, irgendwo im Nahen Osten und damit zu weit weg, um bedrohlich zu erscheinen. Im Verdrängen sind wir nämlich ganz groß. Hatten nicht erst 2013 zwei Männer in London einen britischen Soldaten überfallen und auf offener Straße mit einem Beil und einem Fleischermesser zerhackt? Gab es da nicht Anfang diesen Jahres das Attentat auf die Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo? Und steht Schweden, lange Zeit das muslimische Einwanderungsland Nr. 1, nicht am Rande eines Bürgerkriegs?

Dennoch, das Attentat hat die meisten wie aus heiterem Himmel getroffen. Dabei hat die israelische Werbeagentur Glickman-Shamir-Somsonov bereits vor einem Jahr vorausgesehen, dass „Paris als Nächstes dran sein wird“. Während des letzten Gaza-Krieges im Sommer 2014 war die Tel Aviver Werbeagentur für Israels Aufklärungskampagne im Ausland verantwortlich und verglich die radikale Gefahr und Ideologie der palästinensischen Hamas-Terroristen mit den IS-Dschihadisten.



Die Kampagne vom letzten Jahr sollte den Europäern klarmachen, dass IS-Terroristen und Hamas ein und dieselbe Gefahr für Freiheit und Demokratie bedeuten. Der islamische Terror ist auf seinem Weg nach Paris und London, hieß es in den Anzeigen der Werbeagentur. „Jetzt der Nahe Osten und Paris als Nächstes“ steht auf dem Plakat mit Mona Lisa ohne Kopf. Aus israelischer Sicht haben die Regierungen in den EU-Ländern grundsätzlich ein Problem, den radikalen Islam zu verstehen. Der radikale Islam duldet weder Säkularismus noch fremde Religionen und wird beide bekämpfen, bis sie vernichtet sind.

Die wahllose Aufnahme von muslimischen Einwanderern, die fehlende Abschreckung vor Terror im eigenen Land, die religiös und national motivierte Gewalt in den Problemvierteln von Paris und anderen Städten, die steigenden Angriffe auf die jüdische Gemeinschaft in Frankreich und ganz Europa, und die immer wiederkehrenden Warnungen der Terroristen selbst – “wir kommen zu euch, wir holen uns Europa”: All das wurde auf gesellschaftlicher und politischer Ebene hartnäckig ignoriert und es haben nicht nur insbesondere die stets politisch-korrekten Medien versagt, sondern auch die Sicherheitsorgane.
Für das kollektive Versagen wurde jetzt wieder einmal ein hoher Preis bezahlt. Es ist ein allgemeines und in psycho-sozialen Verständnisebenen wurzelndes Versäumnis, eine fatale Fehleinschätzung der Realität des islamisch motivierten Terrors – und die westliche Gesellschaft regiert wie gewohnt hilflos. Charlie Hebdo ist weniger als ein Jahr her. Die Schießereien in Toulouse und Mauntaban nur drei Jahre. Die Aufstände in den “Banlieues” von Paris – zehn Jahre. Bei allen war immer derselbe Ausgangssatz präsent und wurde gerne ignoriert: “Allahu Akbar”.

Aber anstatt ein Umdenken anzugehen und den offensichtlichen kulturellen Zusammenprall zwischen der europäisch-christlich-säkularen und der arabisch-islamischen Zivilisation genauer unter die Lupe zu nehmen, konnte man ein vom genauen Gegenteil getränktes Szenario beobachten:
Vom Multi-Kulti Cocktail trunkene Menschen, die komplett die Orientierung verloren haben und sich in der vagen Hoffnung, man würde das alles schon irgendwie schaffen, dem totalen Rausch hingegeben haben - Politiker, Presse und “das gemeine Volk” gleichermaßen.
“Mein Herz blutet für meine geliebte Stadt Paris, die es den Gedankenlosen erlaubt hat, über sie zu herrschen, und sie an den Rand des Selbstmords zu bringen”, schrieb gestern der Journalist und Autor Eldad Beck zum Attentat. Und es scheint in der Tat kein besseres Wort als “Selbstmord” für die Unverantwortlichkeit, welche die europäische Zivilisation im Angesicht des islamischen Aufbegehrens aufbringt, zu geben. Mit welch einer Leichtigkeit Menschen das Wort “Rassismus” über die Lippen kommt, weil jemand die schnelle und unproblematische Integration von hunderttausenden Zuwanderern in eine ihnen gänzlich fremde Kultur anzuzweifeln wagt, ist atemberaubend.

Ob IS oder Al-Qaida, ob lokale oder syrische Terroristen - sie kamen und kommen nach Europa mit einer Ideologie, und diese Ideologie erkennt einzig und allein sich selbst an. Auch der westliche Liberalismus, der das Vakuum nach der Aufklärung in Europa zu füllen wusste, ist eine Ideologie. Er weiß aber leider mit den Begriffen “Dar al-Islam” und “Dar al-Harb” - “Das Gebiet des Islams” und “Das Gebiet des Krieges“, nichts anzufangen. In diese beiden Welten teilt die islamische Ideologie aber die Welt ein. Der westliche Liberalismus weiß davon nicht nur nichts, er will es gar nicht wissen. Denn das Wissen um diese Radikalität würde seine Grundfesten erschüttern. Das wäre ein Kulturschock, eine Unerhörtheit, ein Tritt mitten ins edle Gemächt eines jeden liberalen Humanisten. Dieser Teil des Globus meldet sich aber nun und die Menschen, die ihn besiedeln und die von dort auch nach Europa kommen und ansässig werden, haben kein Interesse an den Billigwaren des westlichen Liberalismus, welche man ihnen andrehen möchte. Sie glauben an Allah, und Allah ist akbar. Der Größte. Größer als das World Trade Center, der Eiffelturm und das Stade de France. Größer als die Idee des Multikulturalismus und des “Liberté, Égalité, Fraternité”. Für diesen Allah sind sie bereit zu leben und eigentlich noch lieber zu sterben. Und wenn sie dabei diejenigen mitreißen müssen, die eben nicht glauben Allah sei akbar – noch besser.

Der Auszug aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit ist schwer, und er wird noch so manche Opfer fordern. Vielleicht wird der Wunsch zu Überleben bei immer mehr Menschen den Hang zur Selbstaufgabe übertreffen, wer weiß. Im Augenblick jedenfalls scheint es den meisten noch zu reichen, ihre Facebook Profilbilder mit den Landesfarben der Terroranschläge upzudaten. Ob das auch auf lange Sicht reichen wird – ich wage es zu bezweifeln.

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