Jetzt also die Friedensstadt Augsburg

In Augsburg ist ein Mann „zu Tode gekommen“. Das kann vieles bedeuten. Er wurde von der Straßenbahn erfasst und tödlich verletzt. Er ist beim Tapezieren von der Leiter gefallen. Er hat beim Grillen nicht aufgepasst und eine Explosion verursacht. Habe ich irgendeine unnatürliche Todesart übersehen?

Mitten in Augsburg geht man abends nach Hause, trifft zufällig auf eine Gruppe junger Männer – und stirbt. Worauf der Oberbürgermeister allen dankt, die sich „zu Gewaltfreiheit und unseren Werten bekennen“. Das ist schwarzer Humor vom Feinsten.

Ich denke, es kommt darauf an, wie man „unnatürlich“ definiert. Wenn es keine Frage der Wahrnehmung ist, die durch die Berichterstattung befeuert wird, dann ist es schon seltsam, wie oft es vorkommt, dass eine Person Schaden an Leib und Leben nimmt, die nur das Pech hatte, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Unter den gegebenen Umständen wird man den „Angriff auf einen Passanten“, der zum Ableben des Angegriffenen führt, sehr bald zu den „natürlichen“ Todesursachen zählen müssen wie Krebs, Herzinfarkt oder Organversagen.

Wenn man dann noch hört, der Tod sei infolge einer zufälligen Begegnung mit „einer Gruppe junger Männer“ eingetreten, wird einem sofort klar, wie richtig eine sozialdemokratische Fachfrau für Integration lag, als sie 2015 prophezeite, das Zusammenleben in unserer Gesellschaft werde „auch anstrengend, mitunter schmerzhaft sein“. Das ist inzwischen der Fall. Weihnachtsmärkte gleichen Hochsicherheitsanlagen, auch der Heimweg von einem Weihnachtsmarkt kann sich anstrengend, mitunter schmerzhaft gestalten.

Nun hat es Augsburg erwischt, ausgerechnet Augsburg, das sich stolz „Friedensstadt“ nennt, weil hier im Jahre 1555 der Augsburger Reichs- und Religionsfrieden zwischen Katholiken und Lutheranern geschlossen wurde. Das ist 464 Jahre her. Die Angehörigen der christlichen Konfessionen gehen inzwischen brüderlich miteinander um und Konflikten aus dem Wege, indem sie bestimmte „soziale Brennpunkte“ so gut es geht meiden.

Dazu gehört auch der neu gestaltete Königsplatz im Zentrum der Stadt, ein beliebter Treffpunkt von „Gruppen junger Männer“. Und was da gerade passiert ist, macht den Oberbürgermeister der Stadt „fassungslos“. Er nutzt die Gelegenheit, „allen“ zu danken, „die jetzt solidarisch Haltung zeigen und sich zu Gewaltfreiheit und unseren Werten bekennen“.

Das ist schwarzer Humor vom Feinsten. Entweder weiß der OB nicht, was in seiner Stadt los ist – oder er will es nicht wissen. Er sollte mal, am besten nach Anbruch der Dunkelheit, allein zum Königsplatz gehen, um sich dort zu Gewaltfreiheit und unseren Werten zu bekennen. Das könnte eine anstrengende, im schlimmsten Fall schmerzhafte Erfahrung werden.

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