30 Jahre Mauerfall - bitte keine deutschen Farben

Es ist in den letzten Jahren zu einer urdeutschen Unfähigkeit herangewachsen - die Unfähigkeit nationale Gefühle zuzulassen. Deutsche Flaggen am Tag der deutschen Einheit? Wo kämen wir denn da hin? Und so kam es, wie es kommen musste: Bei der offiziellen Feier zum zum 30. Jahrestag des Mauerfalls am Brandenburger Tor am 9. November: Keine deutschen Farben oder Flaggen. Wäre das in irgendeinem anderen Land denkbar?
Wer als Deutscher sein Land liebt und über ein Mindestmaß an ästhetischem Empfinden und Sinn für das Angemessene verfügt, der muss notgedrungen leiden an nationalen Feier- und Freudentagen und historischen Jubiläen wie diesem, dem dreißigsten Jahrestag des Falls der Berliner Mauer und damit auch des kommunistischen Unrechts-, Ausbeutungs- und Unterdrückungsregimes.

Gibt es einen geschichtsträchtigeren und symbolischeren Ort, um diesen Tag zu begehen, als den Platz vor dem Brandenburger Tor, der achtundzwanzig Jahre lang von der kommunistischen Schandmauer durchschnitten und zum Niemandsland für Stacheldraht und Schießbefehl degradiert gewesen war?

Doch auch hier, im Herzen der Hauptstadt, dieselbe öde und kastrierte Bier-und-Würstchen-Stimmung, wie wir sie vom Tag der deutschen Einheit und anderen staatsoffiziellen Zelebrationen kennen: Party, Pop und Pappteller, Lichterschau und Glitzerkram, aber von Schwarz-Rot-Gold und festlichem Stolz aufs eigene Land keine Spur.
Dass die Kanzlerin die deutschen Farben nicht mag, sie am liebsten einsammelt und bei der Nationalhymne regelmäßig Zitteranfälle bekommt, ist ja nun hinlänglich bekannt. Aber auch die Deutschen selbst denken augenscheinlich gar nicht mehr daran, an nationalen Festtagen mit Schwarz-Rot-Gold Flagge zu zeigen. Bei jedem Fußball-Länderspiel herrscht im Stadion mehr patriotisch angehauchte Stimmung als vor dem Brandenburger Tor am dreißigsten Jahrestag des Mauerfalls.

Die Bräsigkeit der amtlichen Feierkultur färbt offenkundig ab. Kein Vergleich zur schwarz-rot-goldenen Einheitsfeier 1990 vor dem Reichstag. Kein Vergleich auch zum Stil, mit dem unsere europäischen Nachbarn die Höhepunkte ihres nationalen Gedenkkalenders begehen. Italiener, Franzosen oder Polen mögen Flaggenstolz, Militärparaden und stolze Zurschaustellung nationaler Zusammengehörigkeit noch kennen, hierzulande gibt’s die immergleiche Mischung aus volkspädagogischem Popfestival und Jahrmarkt – seit neuestem gerne auch vegan und klimaneutral.

Das Volk, das in der Friedlichen Revolution vor eben jenen dreißig Jahren so unbotmäßig aufbegehrte und einen fundamentalen politischen Wandel erzwang, hat in solchen Inszenierungen der enteigneten Erinnerung keinen Platz, außer als Adressat von regierungsamtlichen Selbstgefälligkeiten und Belehrungen. Ob Einheitsfeier oder Mauerfall-Gedenken, am Ende kommt es immer daher wie ein weiteres „Gegen rechts“-Konzert.

Die Dreistigkeit, mit der die etablierte Politik das Gedenken an historische Wendepunkte usurpiert, zurechtbiegt und für die eigene ideologische Agenda missbraucht, kann auch der Gratis-Partylärm nicht ganz übertönen. Kommt die Kanzlerin zur Feierstunde ans Mauer-Mahnmal, warnt sie nicht etwa vor den Gefahren und verbrecherischen Folgen von Kommunismus und Diktatur, sondern vor „Hass, Rassismus und Antisemitismus“. Redet sie von „Zusammenhalt“, hat sie dabei stets die Ausgrenzung, Ächtung und Ghettoisierung der Kritiker ihrer Politik mitgedacht.

Wüssten wir nicht genau, dass es keine Reichsphrasendreschkammer gibt, die die offiziell verbreiteten Parolen ersinnt und vorgibt, man könnte fast glauben, eine solche wäre es gewesen, die in jede etablierte Politikeransprache die Mahnung miteingebaut hat, jetzt bloß keine „neuen Mauern“ aufzurichten.

Als wären die Deutschen in der ehemaligen „DDR“ nicht dagegen auf die Straße gegangen, dass man sie unmenschlich eingesperrt und entmündigt hat, sondern um von illegalen Migranten aus aller Welt überflutet und ausgenutzt zu werden und um die wiedergewonnene nationale Selbstbestimmung gleich wieder an der Brüsseler Garderobe abzugeben.

Und als wäre es nicht die politische Klasse selbst, die mit ihrem manichäischen Weltbild, das jeden Abweichler reflexhaft und stereotyp in „Dunkeldeutschland“ und in schmuddeligen „Nazi“-Ecken verortet, das vor einer Generation wiedervereinigte Land von neuem mit tiefen Gräben durchzieht und entlang neuer Bruchlinien spaltet.

Von den beim Festakt anwesenden Staatsoberhäuptern der mittel- und osteuropäischen Nachbarländer hätte man durchaus erfahren können, dass das zentrale Thema, das zum Sturz der Mauer und der kommunistischen Diktaturen geführt hat, heute noch so aktuell ist wie damals: Es geht um die Wiedergewinnung und Behauptung der nationalen Souveränität und Selbstachtung, um Selbstbestimmung im demokratischen Nationalstaat, dem unverzichtbaren Ursprung und Rahmen von Demokratie und politischer Freiheit.

Deutschland ist davon, eine Generation nach der Überwindung von Mauer und Stacheldraht, heute innerlich weiter entfernt als noch vor drei Jahrzehnten, als so vieles in Bewegung geraten war. Wenn sonst nichts, so sollte uns doch dieser wiederum eingeschlagene Sonderweg an einem solchen historischen Erinnerungstag zu denken geben.

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