Amazons "Rings of Power" - endlich ist es vorbei!

 Als Amazon die Rechte an Der Herr der Ringe erwarb – die Trilogie mit Anhängen wohlgemerkt, nicht am Silmarillion, dem fiktionalen Historienwerk zu Mittelerde – und die Produktionsfirma Bad Robot mit der Realisierung einer Herr der Ringe-Serie, angesiedelt im Zweiten Zeitalter Mittelerdes, beauftragte, passierte etwas, das jeder kennt, der mit Geschwistern aufgewachsen ist. Der Junge bekommt den Todesstern aus Lego geschenkt. Er braucht ganze drei Tage für den Aufbau. Stolz präsentiert er sein Werk, und der Vater sagt: „Lass deine Schwester auch mal damit spielen.“ Als der Sohn das nächste Mal sein Zimmer betritt, findet er einen Scheiterhaufen aus Legoteilen vor sich. Der Todesstern, den er mit Hingabe und Präzision gebaut hatte, war explodiert. Als er sein kleines Schwesterchen fragt, was passiert sei, antwortet sie: „Ich wollte es nur haben, weil es deins war.“

Tolkien-Fans weltweit fühlen sich heute wohl so wie dieser Junge. Amazon kam ins Zimmer und gab die liebevoll gestaltete Fantasywelt Tolkiens an die kleine Schwester, Bad Robot. Klassische Erzählmuster und zeitlose, traditionelle Werte weichen modernen Klischees, Plattitüden und leeren Phrasen. Hundertmal gesehen, gehört und wieder vergessen. Nichts von Bedeutung, nichts von Gewicht, weil es nur Fassade und Eitelkeit ist. Eine Neuinterpretation, die das, was sie neu interpretiert, nicht versteht. Es ist Fantasy aus dem 3D-Drucker, glänzendes Plastik, das bei kleinster kritischer Betrachtung schmilzt wie der Ring im Schicksalsberg.

Die erste Folge wirkt wie eine Dokumentation über Mittelerde. Szenen wollen einfach kein Ende nehmen, alles ist Exposition ohne Rhythmus, Fokus oder Spannung. Ja, ein langsames Erzähltempo kann auch Charaktermomente schaffen, hier tut es das nicht. Vieles ist redundant: In Dialogen wird gesagt, was wir als Zuschauer längst begriffen haben, weil es vorher gezeigt oder bereits zweimal erwähnt wurde. Die Sprache verstärkt diesen Effekt noch: Es wird versucht, Tolkiens Stimme zu imitieren, was zu pseudopoetischem Sprechdurchfall und schlicht Unsinn führt. Auch die Charakterisierung der Figuren inklusive Schauspiel kann bestenfalls als bemüht und schlimmstenfalls als prätentiös, aufgesetzt und unglaubwürdig beschrieben werden.

Vor allem die junge Galadriel (Morfydd Clark) entzieht sich jeder Sympathiebildung. Sie verhält sich wie das kleine Schwesterchen, tritt an die Stelle ihres gefallenen Bruders, greift zum Schwert und mimt den Mann, spielt den Helden mit selbstherrlicher Ignoranz. Sie erinnert nicht an die Galadriel aus Buch und Film, die mit fast göttlicher weiblicher Intuition sieht, was wir in den Tiefen unserer Existenz vor uns selbst verbergen. Jene Galadriel musste nie ein Schwert in die Hand nehmen, um ihren Wert oder ihre Macht zu beweisen. Das Einzige, was beide Galadriel gemeinsam haben, ist ihr tausend Meter Starren. Jedoch scheint Morfydd Clark zu keiner anderen Expression fähig, was ihre Interpretation von Galadriel leicht durchgeknallt wirken lässt. Und tatsächlich, so wie sich Galadriel in der Serie gegenüber anderen verhält – rücksichtslos, unmoralisch, selbstgerecht –, verkörpert sie den Prototyp eines Bösewichts, der seine Agenda über alles stellt.

Die anderen Figuren sind überwiegend Abziehbildchen, Ausgeburten Isengarts, wenn man so will, bloße Kopien von Altbekanntem und Besserem aus den Filmen von Peter Jackson. Hobbits heißen jetzt Harfüße, Frodo und Sam gibt es auch, nur als weibliche Hobbit-Prototypen. Diese erinnern kaum an ihre Nachfahren: Bis auf die typische Genusssucht fehlt es ihnen an Schläue und Kultiviertheit. Sie sind die nomadischen Obdachlosen von (Süd-)Mittelerde und sollen für Slapstick sorgen. Ein vermeintlicher Istar, ein Zauberer, darf ebenfalls nicht fehlen. Das Reich der Zwerge fühlt sich wohl am ehesten nach Tolkien an, allerdings auch hier mit viel Überflüssigem und erzwungen Komischem.

Die Story bleibt absichtlich nebulös, skizzenhaft, es wird andeutungsweise von einem unheilvollen Schrecken aus der Vergangenheit (Sauron) gesprochen. Die Lakaien des Bösen wurden aufgeschreckt und verheeren die Südlande. Auch hier fehlt die Gravitas der Peter Jackson-Filme, der Kontrast zwischen idyllischem Auenland und der Schreckensvision Saurons. Man wusste genau, wofür und warum gekämpft wird, was es zu verlieren gab und was es zu retten galt. Hier lässt man den Zuschauer im Dunkeln: Was für eine Art von Geschichte soll eigentlich erzählt werden, und wessen?

„Der Herr der Ringe – Die Ringe der Macht“ ist so diffus wie der Titel selbst. Eine Mogelpackung, vollgestopft mit nostalgischen Referenzen (ein Balrog!), großspurig und zusammenhanglos. Die Geschichte, sofern sie existiert, wird erdrückt vom eigenen pompösen Weltenbau und einer behaupteten epischen Breite, welche die unterentwickelten Charaktere nicht in der Lage sind zu tragen. Wie bei dem Schwesterchen, das ihrem Bruder die Legobausteine wegnimmt, nur um sie zu haben, fehlt der Serie der Motor, das echte Bedürfnis, eine Geschichte zu erzählen, die dem Geist Tolkiens treu ist.



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