Trump at the gates - again!

 In den USA stehen die nächsten Wahlen an - und Deutschland geht in den Panikmodus über. Jedenfalls spätestens seit Donald Trump als Kandidat und Widerkehrer mit dabei ist. Denn natürlich würde jeder anständige Bürger seine Stimme für Hillary Clinton oder Joe Biden abgeben - und die amerikanischen Wähler ermutigen es ihm gleich zu tun. Umso größer die Panik wenn sich abzeichnet, dass es mal wieder böse enden könnte. Die Januar-Vorwahlen in Iowa und New Hampshire waren noch nicht entschieden, da meldeten sich schon die medialen Sittenwächter. „Will Donald Trump in den Vereinigten Staaten eine Diktatur errichten?“, fragte ein entsetzter Claudius Seidl in der „FAZ“. Ja, meinte er, nannte Trump einen „Verrückten“ und zitierte ausgiebig Robert Kagan, einen der prominentesten Kriegstreiber unter den Neokonservativen. Auch der „Spiegel“ (Titel vom 20. Januar: „Diktator Trump“) stieß in dasselbe Horn, zog einen Vergleich mit Adolf Hitler und berief sich auf John Bolton, einen anderen Bellizisten in Washington.

Dass Trump ähnlich wie die AfD als Verdachtsfall behandelt und mit ähnlichem Vokabular angefeindet wird, ist kein Zufall. Die Programme decken sich in Teilen. Beide bezweifeln, dass der Klimawandel überwiegend menschengemacht ist. Beide halten nichts von der immens teuren sogenannten Energiewende. Und beide stemmen sich gegen die illegale Masseneinwanderung. Ein Wahlsieg Trumps im November würde der AfD das Leben leichter machen. Ob er vorteilhaft für Deutschland und die EU wäre, ist eine andere Frage. In Berlin ebenso wie in Brüssel wird befürchtet, dass ein Präsident Trump die Militärhilfe an die Ukraine beenden und Europa seinen „nuklearen Schutzschirm“ verlieren könnte.

Zur Denkschule des imperialen Internationalismus, der seit Roosevelt Konsens in Washington war, zählt Trump nicht. Er attackiert die „warmongers“, die Kriegstreiber in Washington. Wenn er sich zur Außenpolitik äußert, werden Erinnerungen wach an den Isolationismus der Zwischenkriegsepoche. Damals war der Eintritt in den Krieg gegen Deutschland 1917 gründlich diskreditiert. Schließlich sind die Vereinigten Staaten in Gegensatz zu anderen Großmächten mit einer idealen Geographie gesegnet. Sie sind von zwei großen Ozeanen umgeben, sie können nicht erobert werden. Damit haben sie die Option, sich aus fremden Kriegen herauszuhalten. Nach dem Fiasko der Kriege in Afghanistan und im Irak setzte wieder einmal Ernüchterung ein. 

Trump irritiert, weil er sich schlecht einordnen lässt. Er hat libertäre Züge, glaubt aber als Protektionist nicht an eine komplett freie Marktwirtschaft, weil er Wirtschaftsbeziehungen für Machtfragen hält. Vor allem ist er Populist, was nichts anderes bedeutet, als dass er im Establishment, im „Tiefen Staat“, den Gegner sieht, der ihm in der ersten Amtszeit in die Quere kam und der ihm vor vier Jahren angeblich den Wahlsieg gestohlen hat. Er sieht sich als  Anwalt des „Flyover country“, das die Eliten auf dem Weg vom progressiven New York zum progressiven Kalifornien nur überfliegen. Hillary Clinton nannte seine Bewohner „deplorables“, Bedauernswerte, Erbärmliche. 

Schlechte Aussichten: Die Vereinigten Staaten in der Schuldenfalle

Dass Trump Biden im November schlagen wird, ist gut möglich oder sogar wahrscheinlich. In den letzten Meinungsumfragen lag er vor dem amtierenden Präsidenten. Alles andere hängt von Unwägbarkeiten ab. Der Senilität geschuldete Aussetzer würden Biden weiter zurückwerfen. Eine rechtskräftige Verurteilung in einem der vielen Verfahren, die gegen Trump anhängig sind, würde ihm Stimmen kosten – nicht bei seinen Anhängern, aber in der politischen Mitte. Nicht ganz auszuschließen ist auch, dass Biden aus gesundheitlichen Gründen ausfällt und durch einen attraktiveren Kandidaten ersetzt wird oder dass Trump Ziel eines Attentats wird. Ausschlaggebend kann auch sein, wie die amerikanische Volkswirtschaft 2024 abschneidet. Der Absturz in die Rezession, in der Regel eine schwere Belastung für den Amtsinhaber, konnte aufgeschoben werden, indem die Regierung Biden Billionen in die Wirtschaft pumpte. Im laufenden Haushaltsjahr wird das staatliche Defizit mit über sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts dem einer Bananenrepublik gleichen. Schlimmer noch: Weil sich die Regierung zu einem erheblichen Teil kurzfristig verschuldet hat, werden in den nächsten zwölf Monaten Staatspapiere in einer monströsen Größenordnung von 8,5 Billionen Dollar fällig. Sie müssen refinanziert werden. Da zugleich das Budgetdefizit gedeckt werden muss, ist mit über zehn Billionen Dollar an neuen Staatsschulden zu rechnen. Die muss ein Markt verdauen, aus dem sich die Ausländer seit Jahren nach und nach zurückziehen. Allein deswegen könnten die Zinsen zulasten des Wirtschaftswachstums wieder steigen – oder die Notenbank muss wieder Staatsschulden in ihre Bilanz nehmen und der Dollar stürzt ab. Der künftige Präsident wird ein schweres Erbe antreten. Angesichts der Überschuldung steht die Dollar-Hegemonie auf dem Spiel.

Worauf müssen sich die Europäer einstellen? So oder so auf ein finanziell angeschlagenes, im schlimmsten Fall in bürgerkriegsähnliche Zustände abdriftendes Amerika. Unter dem Demokraten Biden wäre die Versuchung, die Flucht in den Krieg anzutreten, wohl größer. Trump wäre eher zuzutrauen, den Konflikt in der Ukraine zu beenden und einen Modus Vivendi mit Putin zu finden. Als er sich im November 2022 frühzeitig (und damals noch mit mageren Erfolgsaussichten) ein zweites Mal um das Amt des Präsidenten bewarb, verkündete er: „Der Krieg in der Ukraine wäre nicht geschehen, wenn ich Präsident gewesen wäre.“ Schon im Wahlkampf 2016 hatte er versprochen, Amerikas „endlose Kriege“ zu beenden. 

Die Corleone-Doktrin: Worauf sich die Europäer einstellen müssten

Vor vier Jahren prägte Niall Ferguson, der oft zitierte britische Historiker, den Begriff „Corleone-Doktrin“. Die Außenpolitik Trumps, meinte er, sei nur scheinbar erratisch. Ein neokonservativer „Aufbau von Nationen“ (zuletzt gescheitert in Afghanistan), eine scheinbar wertegeleitete Außenpolitik und ein liberaler Interventionismus stünden nicht auf seiner Agenda. „Trumps Bewunderung für Wladimir Putin“, bemerkte Ferguson, „beruht auf dem ausgeprägt sizilianischen Stil des russischen Präsidenten.“ Zu den Lieblingsfilmen des Realpolitikers Trump zählen tatsächlich „Der Pate“ und „Zwei glorreiche Halunken“.

Ist Trump ein Deal selbst mit Xi Jinping zuzutrauen? Darauf deutet bislang nichts hin. Schließlich ist das Feindverhältnis gegenüber China eine der wenigen geopolitischen Plattformen, die von Demokraten und Republikanern gleichermaßen geteilt werden. In seiner ersten Amtszeit verhängte Trump Zölle von 25 Prozent auf chinesische Importe im Wert von 300 Milliarden Dollar. Sie wurden von Biden im wesentlichen beibehalten. Jetzt spricht Trump davon, Importe aus allen Ländern mit einem Zehn-Prozent-Zoll zu belegen. Er würde die Welt deglobalisieren – keine guten Aussichten für den Welthandel und für die Exportnation Deutschland.

Übertrieben hingegen sind die Befürchtungen, die USA könnten die NATO verlassen. „I don’t give a shit about Nato“, höhnte Trump noch 2019. Jetzt gibt er sich gemäßigter und will „Zweck und Mission“ des Bündnisses „grundsätzlich“ auf den Prüfstand stellen. Damit ist wohl gemeint, die USA finanziell zu entlasten und die Europäer zu belasten. Er hält sie für Trittbrettfahrer. Dass er multilateralen und supranationalen Organisationen einschließlich EU, Weltbank und Internationalem Währungsfonds mit Misstrauen und Aversion gegenübersteht, stimmt auch. Er stellt das gesamte Konstrukt der amerikanischen Hegemonialpolitik infrage. Er will den „Imperial Overstretch“, die Überdehnung des Imperiums, abbauen. 

Ist das eine schlechte Nachricht für die Europäer? Nicht unbedingt. Die Staaten der EU sind finanziell und wirtschaftlich stark genug, um auf eigenen Beinen zu stehen. Sie baden in ihrer selbstverschuldeten Schwäche, wenn sie über Trump lamentieren. Vielleicht kann er ihnen dabei helfen, erwachsen zu werden. 




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