Heiligabend: Wirklich heilig oder doch nur irgendein Abend?

 Weihnachten trägt ein Wort in sich, das heute beinahe fremd klingt: Weihe.

»Wei(h)nachten« meint »heilige Nächte«, »von Gott erfüllt«, »heilspendend«.

Das ist keine beliebte Vokabel – aber eine notwendige. Denn ohne Gott ist Weihnachten tatsächlich nur eine weitere Nacht. Und der Heiligabend einfach ein Abend wie viele andere.

Wir feiern an Weihnachten die Geburt Jesu Christi – nicht mehr, aber auch nicht weniger als die Ankunft Gottes in der Welt. Und selbst wenn das Pessach Fest das eigentliche Zentrum des Glaubens ist – Kreuz und Auferstehung als Wendepunkt der Geschichte –, so ist Weihnachten doch das Fest, an dem die Freiheit Gottes beginnt, menschliche Nähe zu werden.

Der, der erhöht wurde, beginnt im Stroh.

Der, der richten wird, beginnt in den Armen.

In einer Krippe. Nicht in einem Palast.

Wärme – und ihre Grenzen

Dass viele Menschen Weihnachten vor allem als Fest der Wärme und Nähe erleben wollen, ist menschlich. Der Winter drückt das Licht zurück; Menschen suchen sich gegenseitig, um es zu ersetzen. Manchmal gelingt es, manchmal verwandelt sich Nähe in Reibung – aber Hoffnung ist hartnäckig. Deshalb probieren wir es jedes Jahr neu. Für Menschen ohne Glaubenspraxis wirkt Weihnachten dann wie der wichtigste Moment des Jahres – weil Wärme und menschliche Zuwendung auf einmal als das Höchste überhaupt erscheinen.

Und doch bleibt die Frage:
Was wärmt eigentlich dauerhaft?
Und für wen zünden wir all die Kerzen an?

Warum Weihnachten anecken kann

Es gibt zwei Gründe, an Weihnachten Anstoß zu nehmen.

Der eine ist persönlich: Manche schaffen keinen Zugang zur Freude – aus Schmerz, aus Einsamkeit, aus Müdigkeit. Wer selbst friert, möchte manchmal nicht dulden, dass andere sich wärmen. Das ist menschlich, und es verlangt eher Trost als Urteil.

Der zweite Anstoß ist theologischer Natur: Weihnachten behauptet, dass Gott Mensch wird. Damit wird ein Anspruch formuliert, der weit über Familie, Behaglichkeit oder »die Stimmung« hinausgeht.

Advent heißt: Erwartung.
Kerzen heißen: Licht kommt.
Krippe heißt: Gott wählt die Niedrigkeit.
Hirten zuerst – nicht die Tempelpriester.

Das alles stört. Seit 2000 Jahren.

Heiligkeit ist keine Dekoration

Das Wort »heilig« bedeutet:
»göttlich vollkommen«
»verehrungswürdig«
»von Gott berührt«

Heiligabend ohne Heiligkeit bleibt deshalb leer. Weihnacht ohne Weihe bleibt bloß eine Nacht unter vielen.

Man hat oft versucht, Christus aus Weihnachten auszubauen – aus Bequemlichkeit, aus Ideologie oder aus Unwissen. Manchmal nannte man es »Jahresabschluss«, manchmal »Winterfest«. Und doch blieb etwas merkwürdig Unbefriedigendes zurück:

ein Fest ohne Ursprung, Wärme ohne Feuer, Licht ohne Quelle.

»Friede den Menschen guten Willens«

Die Engel verkündeten den Hirten:
„Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens!“

(Lukas 2,14)

Die lateinische Tradition übersetzte:
„Friede den Menschen guten Willens.“

Das ist keine Ausgrenzung, sondern eine Einladung.
Frieden ist möglich dort, wo der Mensch sich öffnet.
Wo er nicht alles kontrollieren muss.
Wo er annimmt, was er nicht selbst erfunden hat.

Wärme reicht nicht — aber sie deutet hin

Christlicher Glaube behauptet nicht, dass ein irdisches Fest den Himmel ersetzen kann. Aber er sagt, dass Gott sich nicht zu schade war, unsere Kälte zu teilen.

Er kommt nicht, weil wir perfekt sind, sondern weil wir frieren.

Er kommt nicht, weil wir schon glauben, sondern weil wir es verlernt haben.

Er kommt nicht, weil wir stark sind, sondern weil wir schwach sind.

Ein sinnvoller Dezember

Was bleibt uns?

Vielleicht dies:

Ein Dezember mit Sinn statt einem Monat der Müdigkeit.
Ein Feuer, das nicht nur glüht, solange Glühwein warm hält.
Ein Fest, dessen Mittelpunkt eine Krippe ist – und ein Kind.
Ein Gott, der sich tragen lässt, um später zu tragen.

Ich wünsche euch ein Weihnachten, das mehr ist als Stimmung.

Ein Fest, das beginnt, was es verspricht. Ein Heiligabend, der heilig sein darf. Nehmt eure Menschen in den Arm. Lasst euer Herz weich werden. Und fürchtet euch nicht vor dem Licht.

Denn: 

Weihnachten ohne Christus ist ein netter Abend.

Weihnachten mit Christus ist Anfang.



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