Rewatch zur Weihnachtszeit: "Road to perdition" - ein ewiges Meisterwerk

Perdition ist der Name jenes Ortes, den Vater und Sohn in diesem Film zu erreichen hoffen, weil er Rettung verspricht. Zugleich aber bezeichnet das englische Wort nichts Geringeres als die ewige Verdammnis. Schon in dieser doppelten Bedeutung liegt die bittere Ironie, die Sam Mendes und sein Drehbuchautor David Self nur selten so offen ausstellen. Dass irische Einwanderer ihre neue Heimat ausgerechnet so genannt haben könnten, wirkt wie ein stiller Kommentar zur Geschichte jener Gemeinschaft, deren Identität der Film tief auslotet. Road to Perdition ist untrennbar mit einer irischen Mentalität verbunden, die im Katholizismus wurzelt – allerdings nicht in jener folkloristisch verbrämten Form, wie sie das Gangsterkino lange gepflegt hat. Dieser Katholizismus ist finster, schicksalshaft, von Schuld und Reue durchdrungen. Wenn der Patriarch nüchtern feststellt, niemand in diesem Raum werde je in den Himmel kommen, ist das keine Pose, sondern ein Glaubenssatz. Die Männer wissen, wovon sie sprechen. Sie töten ohne Zögern, doch sie knien sonntags in der Kirche und empfangen die Kommunion, als ließe sich das eigene Leben in saubere Sphären trennen.

Das Hollywood-Kino hat unzählige Gangstergeschichten hervorgebracht, doch die irische Variante blieb dabei meist Randnotiz. Im Zentrum standen Italiener oder jüdische Syndikate, wenn es um Prohibition und die mythische Blütezeit des organisierten Verbrechens ging. Mendes richtet den Blick nun auf jene Iren, die mit dieser Geschichte wenig Stolz verbindet und die sie selbst lieber dem Vergessen überlassen würden. Umso folgerichtig ist es, dass Road to Perdition keine Chronik, sondern eine Legende erzählt – düster, verdichtet, zeitlos. Die Geschichte von drei Generationen, die innerhalb weniger Wochen unausweichlich aufeinanderprallen, wird so zum Spiegel der dunklen Seite des amerikanischen Traums: Menschen, die das versprochene Glück nicht finden, den Glauben daran aber nicht aufgeben – und sich am Ende nehmen, was ihnen verwehrt bleibt, notfalls mit Gewalt.

Road to Perdition ist ein Gangsterfilm, der seine eigentliche Wucht nicht aus Gewalt oder Handlung bezieht, sondern aus Stille, Blicken und moralischer Schwere. Sam Mendes erzählt kein klassisches Prohibitionsdrama, sondern eine zutiefst katholisch grundierte Parabel über Schuld, Verantwortung und die Möglichkeit von Erlösung – verdichtet auf die Beziehung zwischen einem Vater und seinem Sohn.

In der Spannung der Doppeldeutigkeit des Titels "Road to Perdition" bewegt sich der gesamte Film. Sullivan ist Auftragskiller, ein Mann, der seine Hände tief im Blut anderer hat, zugleich aber versucht, seinem Sohn ein moralisches Fundament zu bewahren. Das Paradox seines Lebens – töten, um die Familie zu schützen – lässt sich nicht auflösen, nur ertragen. Der Film nimmt diese Unauflösbarkeit ernst. Er urteilt nicht, aber er beschönigt auch nichts.

Im Zentrum steht die Vater-Sohn-Beziehung. Michael Sullivan junior ist kein bloßer Begleiter auf der Flucht, sondern moralischer Spiegel. Sein Blick ist das Gewissen des Films. Was der Vater verschweigt, erkennt der Sohn instinktiv. Was der Vater verdrängt, sieht der Sohn klar. Und gerade darin liegt die Tragik: Sullivan liebt seinen Sohn zutiefst, doch er kann ihm keinen anderen Weg zeigen als den eigenen – und kämpft zugleich verzweifelt darum, dass dieser Weg für den Jungen nicht zur Zukunft wird. Erlösung bedeutet hier nicht Rettung für den Vater, sondern Befreiung des Kindes aus dem Kreislauf der Gewalt.

Diese Idee spiegelt sich auch in der Gegenüberstellung der Generationen. John Rooney, der Patriarch, liebt Sullivan wie einen Sohn, verdirbt aber seinen leiblichen Sohn Connor durch Nachsicht und falsche Loyalität. Wo Liebe ohne moralische Konsequenz bleibt, entsteht Verderben. Der Film zeigt, dass Schuld nicht nur durch Taten entsteht, sondern auch durch unterlassene Verantwortung.

Formal ist Road to Perdition von außergewöhnlicher Geschlossenheit. Die Inszenierung ist streng, ruhig, beinahe asketisch. Gewalt wird nicht zelebriert, sondern nüchtern vollzogen – oft außerhalb des Bildes, manchmal in ikonischer Zuspitzung. Die Bilder haben eine fast sakrale Qualität: Regen, Schatten, Fenster, Straßen bei Nacht. Jeder Bildausschnitt scheint komponiert, jedes Licht gesetzt, als trüge die Fotografie selbst die moralische Last der Geschichte. Die Verdammnis, von der der Titel spricht, wird sichtbar, greifbar, atmosphärisch. 

Eine zentrale Rolle spielt dabei der Soundtrack von Thomas Newman. Seine Musik ist nicht emotional manipulativ, sondern zurückhaltend, tastend, voller Melancholie. Sie verstärkt das Unausgesprochene, das Schweigen zwischen Vater und Sohn, die Ahnung des Unvermeidlichen. Newman verleiht dem Film eine innere Bewegung, die nicht nach außen drängt, sondern nach innen zieht. Der Score fühlt sich weniger wie Begleitung an als wie ein leises Gebet. Keine Szene macht das so deutlich wie die, in welcher Michael Sullivan im nächtlichen Regen ein halbes Dutzend von Rooneys Schergen mit der Maschinenpistole niedermäht. Während wir die Wucht der Einschläge beobachten können ist nicht ein einziger Schuss zu hören, nur Newmans behutsamen gewebter Klangteppich aus sanften Klaviertönen.

Während viele Gangsterfilme von Macht, Aufstieg und Fall erzählen, reduziert Mendes das Genre auf eine moralische Kernfrage: Kann ein schuldiger Mensch durch einen selbstlosen Akt Erlösung finden? Die Antwort bleibt ambivalent – und gerade deshalb glaubwürdig. Road to Perdition endet nicht triumphal, sondern still, konsequent und bitter-sanft zugleich. Erlösung ist möglich, aber sie hat ihren Preis.

So bleibt dieser Film ein seltenes Beispiel für großes, erwachsenes Kino: formal streng, emotional tief und thematisch von zeitloser Wucht. Ein Gangsterfilm, der weniger vom Sterben erzählt als vom Versuch, richtig zu handeln – zu spät vielleicht, aber nicht bedeutungslos.




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