Die SPD und die widerlichen Lebensschützer*innen

Was die Bundestagsabgeordnete Eva Högl kürzlich twitterte und dann löschte, ist mit dem Wort „peinlicher Ausrutscher“ noch harmlos umschrieben. Die Sozialdemokratin empörte sich über einen Artikel im Tagesspiegel. Der hatte ihre Partei dafür kritisiert, den Paragraphen 219a des Strafgesetzbuches nun doch nicht mit den Stimmen der Opposition abzuschaffen: „Wie wär's damit, mal die widerlichen ,Lebensschützer*innen‘ in Union in den Blick zu nehmen und zu kritisieren?“, schrieb Högl.
Bravo Frau Högl, so äußern sich Menschen, die eine respektvolle Debatte wollen. Der Paragraph, den die SPD eigentlich abschaffen wollte, verbietet Ärzten, für Abtreibungen zu werben. Noch Anfang März hatten die Sozialdemokraten eine Gesetzesinitiative dazu in den Bundestag eingebracht. Damit hätten sie jedoch der Union, die das Werbeverbot beibehalten will, schon gleich zu Beginn der gemeinsamen Koalition vors Schienbein getreten. So zumindest empfanden es viele in der CDU und CSU.
Fraktionschef Volker Kauder stand daher unter starkem Druck. Doch in letzter Minute machte die SPD einen Rückzieher, um den Koalitionsfrieden nicht zu gefährden. Die Tageszeitung Die Welt meinte, die SPD-Faktionsvorsitzende Andrea Nahles habe ihren Kollegen Kauder gerettet. Die neue Bundesregierung werde einen entsprechenden Gesetzesentwurf ausarbeiten, hieß es. Es wäre keine Überraschung, wenn das am Ende bedeuten würde, dass es in dieser Legislaturperiode nichts wird mit der Abschaffung des Werbeverbots für Abtreibungen, wofür man Gott nur dankbar sein kann.
Andere wiederum sind enttäuscht. So enttäuscht, dass eine Abgeordnete, die immerhin Fraktionsvize ist und sogar schon für Ministerämter gehandelt wurde, bei einem so sensiblen Thema wie Schwangerschaftsabbrüchen zu niveaulosen Beleidigungen greift. Zumal sie explizit die „Lebensschützer*innen“ (alleine die Anführungszeichen sind vielsagend) in der Fraktion ihres Koalitionspartners meint – und nicht etwa radikale Gruppen.
Rückenwind bekommt sie vom EU-Parlament , das am 1. März 2018 eine Reihe folgenschwerer Beschlüsse fasste - so soll es zukünftig ein „Menschenrecht auf Abtreibung“ geben. Dies beinhaltet, dass beispielsweise die Abwesenheit von Abtreibungsmöglichkeiten künftig als Folter gewertet würde, weil eine Frau dadurch gezwungen sei, ihr Kind zur Welt zu bringen, oder dass ein Arzt, der sich weigert, eine vorgeburtliche Kindstötung vorzunehmen, sich – wider jeglicher Logik – der Körperverletzung schuldig machen würde. Medizinisches Personal soll dadurch seiner Gewissensfreiheit beraubt und Lebensschützer kriminalisiert werden. Damit stellt die EU im Handstreich die Rechtsordnung ihrer Mitgliedsstaaten auf den Kopf und pervertiert den Begriff der Menschenrechte an sich.
Was für ein Irrsinn, der sich hier in unseren Parlamenten präsentiert. Wer das grundlegendste Recht des Menschen, das Recht auf Leben, in Abrede stellt, der verliert jegliche moralische Legitimation, sich zum Richter über – logischer Weise nachrangige – Menschenrechte zu erheben. Mein höchster Respekt gilt jedem Arzt und jeder Krankenschwester, die ihrem Gewissen folgen und wegen der klaren medizinischen Indikation, dass jedes Ungeborene ein Mensch ist, ihre Mitwirkung an Abtreibungshandlungen verweigern. Bald schon könnten sie diese Entscheidung mit einer Haftstrafe bezahlen. Frau Högl wird es freuen.

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