Der Fall Loretta: Die Schlümpfe als verfassungsfeindliche Inhalte

Die Szenen, die sich mittlerweile in Deutschland in immer häufigerer Abfolge abspielen, lassen jeden rechtstaatlich orientierten Menschen in einer Art Schockstarre zurück. Da sitzt ein 16-jähriges Mädchen nichtsahnend im Klassenraum ihrer Schule beim Chemieunterricht. Gegen 11.00 Uhr öffnet sich die Tür des Raumes, der Direktor der Schule tritt ein, gut sichtbar für alle anwesenden Schüler warten draußen drei Polizisten. Das Mädchen wird aufgefordert, dem Direktor nach draußen und offenbar in den Gewahrsam der Polizei zu folgen. Das Mädchen muss, abgeführt wie eine überführte Kriminelle, einmal durch die ganze Schule zum Lehrerzimmer, wo ihr der Grund für den personenstarken Auftritt der Staatsgewalt genannt wird: Sie könnte mutmaßlich verfassungsfeindliche Inhalte in sozialen Netzwerken verbreitet haben.

Könnte, hätte, mutmaßlich

So weit so ungenau. Denn was waren diese mutmaßlich verfassungsfeindlichen Inhalte, die da von der 16-jährigen Loretta an den nichtsahnenden Social Media Nutzer gebracht wurden? Sie hatte bereits Monate zuvor ein Video gepostet, in welchem es hieß, dass alle Schlümpfe blau seien und Deutschland auch. Es war also ein humorvoller AfD Werbespot. Außerdem hatte sie an anderer Stelle noch die untragbare Feststellung getätigt, Deutschland sei mehr als bloß ein Ort. Deutschland sei Heimat.

Das geht natürlich mal gar nicht. Kudos an den zivilcouragierten Direktor, der seine Schülerin sofort an die Polizei verpfiff. Er hätte natürlich auch auf die Idee kommen können, dem Denunzianten ob seines schmierigen Stalker-Gebahrens mal ordentlich die Leviten zu lesen. Im besten Deutschland aller Zeiten ist das aber natürlich anders und besser. Wehret den Anfängen und so.

Wer selbst denkt ist selber schuld

Was uns das Ganze über den Zustand unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung verrät, ist eher schwere Kost. Denn vermittelt wird damit ziemlich eindeutig, dass man seine Meinung zwar sagen kann, aber mit den ungemütlichen Konsequenzen leben muss, wenn diese Meinung zu sehr vom etablierten Korridor der Anständigkeit abweicht. Diese Konsequenzen bestehen in Einschüchterung, offizieller Demütigung und im Fall von Loretta auch einer sog. „Gefährderansprache“ durch die Polizei zwecks Verhaltenskorrektur. Oder war das Ganze vielleicht doch nur - wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung orakelte - "ein fragwürdiger Fall aus einer anderen Welt“?

Der Fall Loretta ist überall

Es sieht eher nicht so aus. Denn was da vorging, war kein „Fall aus einer anderen Welt“, sondern ein Fall aus dieser Welt, genauer: der Welt, deren Aufbau das Kabinett Scholz-Habeck-Lindner mit rot-grün-gelber Hilfe auf allen Ebenen systematisch vorantreibt, dabei die Vorarbeit nutzend, sie seit langem läuft. Es gab Unterbrechungen, es gab Rückschläge, aber in letzter Konsequenz sind die Kulturkrieger in den letzten Jahrzehnten ihrem Ziel sehr nahegekommen.

Man kann das an der permanenten Mobilisierung „gegen rechts“ ebenso ablesen wie an der Selbstverständlichkeit der Volksfrontbündnisse von der CSU über die (Post-)Kommunisten bis zum Schwarzen Block, am „Demokratieförderungsgesetz“ ebenso wie an der Schaffung parastaatlicher, mit Millionenbeträgen versorgter Einrichtungen, die sich als „Zivilgesellschaft“ tarnen.

Mobbing der Abweichler 

Wenn die Entwicklung in der Regel kaum auf Widerstand trifft, dann weil die Angreifer übermächtig scheinen, weil die Zahl ihrer Gegner begrenzt und deren Mittel beschränkt sind, weil die Mitte so feige ist wie eh und je und weil die Leute an den Schalthebeln sehr genau wissen, wie man das menschliche Verhalten ausnutzt. Da ist zum einen das, was die Verhaltensforscher „Homophilie“ nennen: die Neigung jedes Menschen, diejenigen zu bevorzugen, die ihm gleich sind, und diejenigen zu verabscheuen, die anders sind.

Abweichler werden „gemobbt“, und es bleibt nachrangig, warum sie abweichen. Wer sich zu den „Anständigen“ rechnet, muß keinen Anstand wahren, wenn es gegen die „Unanständigen“ geht. Mag in einem Clan und auch in einem Dorf die Sozialdisziplin noch dadurch aufrechterhalten werden, daß jeder jeden kennt, dann gilt das schon nicht mehr in der Kleinstadt. 

„Stalinismus von unten“

Aber das klassische Verfahren dürfte zweifelsfrei das organisierte Spitzeln sein. So übten im antiken Athen die Sykophanten eine wichtige Funktion als berufsmäßige Angeber derjenigen aus, die die demokratische Staatsordnung wirklich oder vermeint delegitimierten. Die mittelalterliche Inquisition fußte ebenfalls wesentlich auf Denunziation.

Aus Sicht der totalitären Systeme des 20. Jahrhunderts ein starkes Motiv, hier anzusetzen. Ihre Sicherheitsapparate griffen ganz bewußt auf „Informelle Mitarbeiter“ zurück, die sich den Mächtigen andienen wollten. So gab es in der Sowjetunion nicht nur die „Waisen Stalins“ – Kinder, die ihre eigenen Eltern verraten hatten, um Linientreue zu beweisen –, sondern auch jenen „Stalinismus von unten“, der auf der Bereitschaft zu vorauseilendem Gehorsam fußte oder dem Übelwollen gegen den etwas wohlhabenderen Kulaken, die attraktive Nebenbuhlerin, den treulosen Gatten, den undankbaren Verwandten.

Das Establishment wird zum Blockwart

Das zu betonen ist wichtig, weil in Deutschland die Neigung besteht, „Blockwartmentalität“ für ein nationales Spezifikum zu halten. Davon kann keine Rede sein. Allerdings schon von der fatalen Neigung, die Dinge bis zur letzten Konsequenz zu treiben. 

„Umzingelt von Wirklichkeit“ (Robert Habeck), bedroht von schwindendem Rückhalt und erstarkender Opposition setzt man auf die Flucht nach vorn: Endgültige Zerstörung der tradierten Lebensformen und des politischen Ethos, Herrschaft des Verdachts und Errichtung eines Ideologiestaates, der keine Deutschen mehr kennt, sondern nur noch richtige oder falsche Gesinnung.

Ein Vorgehen mit Erfolgsaussicht, weil es lange vorbereitet wurde und auf zahllose Profiteure rechnen kann. Die Hoffnung darauf, dass der öffentliche Dienst die Charakterstärke zeigt Haß und Hetze gegen diskriminierte Minderheiten entgegenzutreten erweist sich zudem als aussichtslos, wenn die vonseiten der Obrigkeit selbst in Umlauf gebracht wird.

Man tut sich täglich schwerer damit, Deutschland mit den Begriffen "Rechtsstaat" und "Demokratie" in der vollen Bedeutung dieser Begriffe in Verbindung zu bringen. Die Begriffe, mit denen eine bessere Verbindungsaffinität zu existieren scheint, werden jedenfalls von Tag zu Tag häßlicher...




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