Was von der "Wannseekonferenz 2.0" übrig blieb

Das Recherercheteam von "Correctiv" hat Anfang Januar 2024  den ganzen großen medialen Coup gelandet, als es die brisanten Themen eines verschwörerischen Treffens der rechten Szene enthüllte. In einer schattigen Villa tief in den den Wannsee umgebenden Wäldern, hätte sich die Runde der Zwielichtigen, darunter mehrheitlich Mitglieder der CDU, darüber ausgetauscht wie man Deutsche mit Migrationshintergrund millionenfach deportieren könne. Eine solche Ungeheuerlichkeit trieb anschließend Hunderttausende auf die Straße, um gegen rechts Kante zu zeigen. Mit dabei waren in allen größeren Städten immer auch Mitglieder der CDU, die damit also quasi publikumswirksam gegen sich selbst demonstrierten. Aber was ist wirklich dran an dem als "Wannseekonferenz 2.0" zu unrühmlicher Bekanntheit gelangten Treffen in einem Landhotel nahe Potsdam? Genau damit musste sich jetzt das Hamburger Landgericht auseinandersetzen.

Die CDU nämlich demonstriert nicht nur gegen sich selbst, sondern wehrt sich in Person des Konferenz-Teilnehmers Ulrich Vosgerau gerichtlich gegen die „Correctiv“ Berichterstattung. Ob das jetzt widersprüchlich ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Der Anwalt Vosgeraus jedenfalls legte dem Gericht sage und schreibe sieben eidesstattliche Versicherungen vor, in welchen Teilnehmer die öffentliche Behauptung, es seien bei dem Treffen Deportationen von Deutschen mit Migrationshintergrund geplant worden, als unwahr zurückweisen.

Das eigentlich interessante ist die Reaktion des „Correctiv“ Anwalts. Der schreibt nämlich in seiner zunächst kaum zu glaubenden Stellungnahme:

"Die von dem Antragsteller vorgelegte eidesstattliche Versicherung geht also an der Sache vorbei. Eine derartige Tatsachenbehauptung, die dem Beweise oder der Glaubhaftmachung zugänglich wäre, wird in dem streitgegenständlichen Artikel nicht erhoben."

Um es also noch einmal klar und deutlich zu sagen: „Correctiv“ räumt in Person ihres Anwalts also selbst ein, dass es auf dem Potsdamer Treffen nie um die millionenfache Deportation von Deutschen aus rassistischen Erwägungen heraus ging. Daher stellt sich natürlich die brennende Frage, worum es denn dann ging? Und wogegen eigentlich in den letzten Wochen demonstriert wurde?

Kann es eventuell sein, dass "Correctiv" eine bloße Meinungsäußerung als Tatsachenrecherche verkaufte? Denn liest man den "Correctiv" Bericht genau fällt auf, dass es im Text deutliche Schwankungen gibt, was die Textform angeht. Werden die teilnehmenden Personen zunächst noch im Stil einer Hintergrundberichtes vorgestellt, so präsentieren sich die Formulierungen, als es im weiteren Verlauf um das eigentliche Thema Remigration geht, deutlich schwammiger. So heißt es dort beispielsweise: "Rechtsextreme verstehen unter Remigration ... auch die Ausweisung von deutschen Staatsbürgern ..." Dieser sehr allgemein gehaltene Satz hätte so auch in irgendeinem Leitartikel der TAZ stehen können. An keiner Stelle sagt der Bericht später, einer der Teilnehmer hätte sich entsprechend geäußert. Es handelt sich also um reine Spekulationen, die in einer freiheitlichen Gesellschaft natürlich zulässig sind, aber eben kaum Grundlage für die nachfolgende Empörungswelle sein können.

Denn sind wir ehrlich - Anlass der Empörung war einzig die Teilnahme der AfD. Daher sieht die CDU auch kein widersprüchliches Verhalten in der Teilnahme an den Demos der letzten Wochen, um sie geht es dabei nämlich ganz offensichtlich auch gar nicht. Als ich diesen Punkt kürzlich in einem Zwiegespräch angeführte bekam ich zur Antwort, dass es doch eigentlich egal sei, ob der Bericht nun stimme oder nicht. Es gehe ja schließlich gegen die Richtigen. Nach dieser perfiden Logik dürfte ich auch dem verhassten Nachbarn, der ständig säuft und seine Frau betrügt, fingierte Beweise darüber unterjubeln, dass er das Finanzamt betrügt.

Die entscheidende Frage ist, ob wir die politische Spaltung dieses Landes weiter voran treiben wollen oder ob wir uns vielleicht lieber auf das besinnen, was einer Demokratie Stabilität verleiht: Pluralismus, Austausch und Kompromiß. Vosgerau hat in dem Prozess vor dem Landgericht Hamburg einen Teilerfolg erzielt, "Correctiv" muss seinen "Bericht" anpassen (Aktenzeichen 324 O 61/24). Da der Prozess in die nächste Instanz geht, wird es eventuell zu weiteren Korrekturerfordernissen kommen. Verloren hat in jedem Fall die Glaubwürdigkeit der Medien. Die "Neue Zürcher Zeitung" fragte provokativ, ob ARD und ZDF auf eine Finte des Recherercheteams hereingefallen seien. Wie ich bereits in meinem vorherigen Eintrag schrieb, stellt die journalistische Arbeit nach Ansicht des Genfer Schriftstellers und Philosophen Jean-Jacques Rousseau die vierte Säule einer Demokratie dar. Wie er die Qualität der Arbeit des "Correctiv" Teams beurteil hätte, überlasse ich euren eigenen Überlegungen.

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