ist der gute Journalismus noch zu retten?

Die Medien verändern sich und mit ihnen der journalistische Alltag, dessen neuartige Arbeitsabläufe auch das Berufsbild des Journalisten verändern. Der Weg über den klassischen Artikel ist oftmals zu behäbig und zwingt viele Journalisten zum formloseren “bloggen”. Das digitale Zeitalter verändert den Journalismus und wirft oftmals auch die herausfordernde Frage nach dem Verhältnis von Qualität und Quantität auf.

Herausforderungen und Chancen des digitalen Zeitalters
Dieser Herausforderung sollen und müssen sich Journalisten stellen, denn schließlich steht die digitale Revolution nicht nur für einige zusätzliche Stressfaktoren, sondern vor allem auch für das größte Publikum in der Menschheitsgeschichte. Niemals zuvor hatten journalistische Inhalte eine größere Reichweite. Mit der Größe der Leserschaft ist gleichzeitig auch das Bedürfnis nach gutem, seriösem und aufklärendem Journalismus angewachsen.

Und damit ist eines klar: Auch im digitalen Zeitalter mit seinen raffinierten Möglichkeiten sind Journalisten keineswegs von den klassischen Methoden journalistischer Recherchearbeit entbunden. Internet und E-Mail können das persönliche Gespräch mit Informationsquellen nicht ersetzen. Und eine gründliche Dokumentation erst recht nicht.

Qualität kommt von Qual
Was aber macht guten Journalismus abseits dieser formalen Kriterien aus und kann man überhaupt objektive Bewertungskriterien entwickeln? Eines ist jedenfalls sicher - Journalisten müssen, wenn sie gut sein wollen, dahin gehen, wo bisher niemand war. Sie müssen Pioniere und vor allem festen Willens sein, unbeirrbar weiter zu machen, egal wie viele Steine ihnen plötzlich im Weg liegen. Denn auch wenn der Satz "Qualität kommt von Qual" natürlich bereits ganz schön abgegriffen ist, so ist er doch vollkommen richtig. Für belanglosen Journalismus und Artikel, die man morgen schon wieder vergessen hat, muss man sich nicht quälen. Für guten Journalismus schon. Dafür wird der Journalist sein Bestes und vor allem etwas in die Waagschale werfen müssen, das eigentlich keiner hat - viel Zeit.

Denn abgesehen davon, dass sich fast alle gängigen Organisationsstrukturen und mit ihnen u.a. auch das Redaktionsmanagement verändert haben, bleibt es prinzipiell bei den zeitaufwändigeren Darstellungsformen, die sich für Journalisten bewährt haben: Der Reportage, dem Hintergrundartikel, dem Kommentar oder dem Interview.

Pressefreiheit und Qualitätsjournalismus
Eine der wertvollsten Errungenschaften der westlichen Welt und gleichzeitig eine der wichtigsten Säulen unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist die Pressefreiheit. Qualitätsjournalismus ist die höchste Form der Wahrnehmung dieses Grundrechts. Denn er zeigt, dass man verstanden hat, welch vornehme journalistische Aufgabe mit der Pressefreiheit einhergeht. Wenn Journalisten dieser Aufgabe nicht mehr nachkommen können - oder schlimmer - nachkommen wollen, dann ist die Pressefreiheit nichts weiter als ein zahnloser Tiger bzw. ein Relikt, das man zwar ob seiner Schönheit bestaunen kann, das aber eben doch nur ein Relikt ist. Die Forderung nach mehr gutem Journalismus unterstreicht damit zugleich das Bestreben, dem Verflachen redaktioneller Arbeit durch zu großen Renditedruck entgegen zu wirken. Wenn Journalisten nur noch Massencontent als Füllmaterial für Zeitungs- oder Internetseiten produzieren, wozu braucht es dann noch eine grundrechtlich garantierte Pressefreiheit?

Journalistische Kernkompetenzen
Viele Journalisten würden auf die Frage nach einem wesentlichen Merkmal für guten Journalismus wahrscheinlich mit dem Hinweis auf Unabhängigkeit bzw. Überparteilichkeit antworten. Und damit hätten sie natürlich Recht - ein guter Journalist sollte sich im Idealfall als neutraler Informationsvermittler verstehen.

Was aber, wenn der Druck zunimmt? Wenn die eigene wirtschaftliche Situation bedrohlich wird? Wenn Gegenwind von Kolleginnen und Kollegen kommt? Wenn die politischen Verhältnisse kippen und man mit seiner Arbeit plötzlich auf ziemlich viele bedeutsame Zehen treten könnte?

Oder was ist, wenn plötzlich der Staat selbst, zu dessen Kontrolle man nach Jean-Jacques Rousseau als vierte Säule der Demokratie verpflichtet ist, als Gegenleistung für eine diffamierende und vom eigenen Versagen ablenkende Geschichte über die Opposition mit Geldscheinen winkt? Dann zeigt sich, ob man das Wichtigste verstanden hat, das es über guten Journalismus zu verstehen gibt: Man lässt sich weder einschüchtern noch kaufen!

Guter Journalismus braucht Ausdauer
Jeder kann sich an große Stunden des Journalismus erinnern. Zumeist waren das die Zeiten, in denen Skandale aufgedeckt wurden, an die sich heute noch jeder erinnern kann. In diesen Zeiten hat der Journalismus das geleistet, was von ihm verlangt werden darf: Er ist im Rahmen seiner grundgesetzlich verankerten Pressefreiheit den Mächtigen gefährlich geworden, hat entdeckt, enthüllt, aufgeklärt. Aber das sind nur vorübergehende punktuelle Highlights. Guten Journalismus brauchen wir auch dann, wenn es gerade keinen Steuer- oder Spendenskandal zu enthüllen gibt. Die Medien sollten ihn sich leisten, denn er ist das Beste, was aus der Pressefreiheit erwachsen kann. Leider sieht es in Deutschland im Jahr 2024 nicht danach aus, als wenn sich dieser Gedanke durchsetzen könnte.

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